Man muss schon sagen, es ist ziemlich mutig von einem italienischen Künstler, das Medium Neon in seine Kunst einzubinden, ganz besonders vor dem Hintergrund, dass die Künstler und Lands Männer Lucio Fontana und Maurizio Nannucci, die Kunstgeschichte mit ihren Werken aus Neon maßgeblich mitbestimmt haben.
Lucio Fontana war der erste Künstler, der es gewagt hat Neon und Kunst miteinander zu verbinden. Das geschah ihm erstmalig 1951 mit seiner „Neon Structure“, die im Museo del 900 mit Blick auf den Mailänder Dom ausgestellt wurde. Damit hat der Künstler es geschafft, Mailands wohl stimmungsvollsten Hintergrund in seine Kunst zu integrieren. Zurzeit sind einige seiner richtungsweisenden Werke aus Neon in einer Ausstellung in Mailands Hangar Bicocca zu sehen.
Lucio Fontana, Fonti di Energia, Soffitto Al Neon, 1961
Doch der italienische Künstler, der heutzutage im Mittelpunkt der Neonkunstszene steht, ist Patrick Tuttofuoco. Sein Nachname lässt sich mit „alles steht in Flammen“ ins Deutsche übersetzen, welchem er mit seiner Kunst auch gerecht wird. Er lebt und arbeitet heute in Berlin, stammt jedoch ursprünglich aus Mailand und hat erst kürzlich die atemberaubende „Tutto Infinito“ Ausstellung in Turin eröffnet.
Der Anlass hierfür war die Wiedereröffnung der Ausstellungsfläche OGR Torino, einer Industrieanlage aus dem 20. Jahrhundert, welche heutzutage vor allem für Musikveranstaltungen, Kunst-Performances und visuelle Kunstshows genutzt wird. Mit all dem verkörpert das OGR die pulsierende Gegenwart, welche die Stadt Turin nun schon seit einigen Jahren ausmacht und sie damit zur italienischen Hauptstadt für die Musik- und Alternativszene werden lässt.
Die Installation wird als grenzüberschreitend wahrgenommen. Sie befördert den Betrachter in ein völlig neues Umfeld, in dem bisher wahrgenommene Grenzen verschwimmen und Zeit und Ort sich neu definieren.
Das Herzstück der Ausstellung ist ein Replikat eines der letzten, unbeendeten Werke Michelangelo’s, der Pietà Rondanini. Das Original wird in Mailands Castello Sforzesco ausgestellt und ist wirklich kurios, da es einzigartige Einblicke in die Gedanken und den Charakter des Genies ermöglicht. Es wird nämlich gemunkelt, dass der 90 Jahre alte Michelangelo damit begann, diese Skulptur, die er 10 Jahre zuvor kreierte, verärgert zu zerstören. Mit den Überresten wollte er etwas völlig Neues kreieren. Doch dazu ist es nie gekommen, weswegen die Skulptur in ihrem fragmentierten Zustand zu sehen ist, mit all ihren Schäden und Makeln.
Damit eröffnet Tuttofuoco einen Dialog - zwischen der italienischen Kulturgeschichte und dem Besucher. Dieser Austausch wird durch das Spiel des Lichts, die Farben und die trübe Atmosphäre verstärkt, was sich wie ein roter Faden durch die Installation und die höhlenartigen Formationen zieht.
Die Art und Weise, in der Neon dabei in das Gesamtbild eingebunden wird, gibt der Installation den finalen, atemberaubenden Feinschliff. Die tiefste Ebene des Unbewusstseins jedes Besuchers wird mit der Ebene des Göttlichen verbunden. Der Blitz trifft Dich tief in Deinem Inneren, während die gigantischen Hände aus dem Himmel in Dein Unbewusstsein greifen.
*** Wir hoffen inständig, er bringt ein paar seiner Arbeiten mit nach Berlin ***
Patrick Tuttofuoco | Tutto Infinito | OGR Torino
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